Samstag, 15. Oktober 2011

Tim und Struppi: Kohle an Bord [Rezension]



1956 beginnt Hergé die Arbeit an einem Abenteuer, in dem eine ganze Reihe Figuren aus vergangenen Alben wieder auftauchen würden. Verbunden wurde das ganze durch eine mehrschichtige Handlung, die sich verschiedenen aktuellen Problemen widmeten. Eines davon: der Sklavenhandel.

Handlung: Zuerst begegnen Tim und Haddock nach einem Kinobesuch General Alcazar, dann wartet als zweite Überraschung auch noch Abdallah (aus “Im Reiche des schwarzen Goldes”) auf sie in Mühlenhof. Der Grund stellt sich bald heraus: In Abdallahs Heimatland hat es einen Staatsstreich gegeben und sein Vater, der Emir, musste flüchten. Sein Widersacher, Scheich Bab El Ehr, hat seine Flugzeuge aus der gleichen Quelle, aus der auch Alcazar Waffen beziehen will, um in San Theodorus wieder an die Macht zu kommen. Tim und Haddock reisen nach Khemed, um den Emir zu besuchen, doch ihre Reise wird sabotiert. Zu Fuß versuchen sie, sich nach Watisdah durchzuschlagen, um von dort weiter in die Wüste zu reisen.

Kritik: General Alcazar, Abdallah, Dawson, Oliveira de Figueira, Doktor Müller, Ben Kalisch Ezab, Allan Thompson und Roberto Rastapopoulos. Das sind die Figuren aus früheren Alben, die sich in “Kohle an Bord” ein Stelldichein geben (in der Reihenfolge des Erscheinens). Und da sind General Tapioka und Scheich Bab El Ehr gar nicht mit dabei, denn diese werden eigentlich nur erwähnt, auch wenn sie eine gewisse Rolle spielen. Nicht ganz in die Reihe passt der Pilot Pjotr Klap, der hier zum ersten Mal dabei ist, aber nochmal wiederkehren wird.

Mit dem Sklavenhandel hatte Hergé wieder ein Thema gefunden, bei dem er Tim für die Schwachen eintreten lassen konnte. Mit entsprechender Dramatik kommt die Geschichte dann auch daher, etwa, als die in den Laderaum eingepferchten Pilger auf Haddock einstürmen, den sie für einen ihrer Peiniger halten. Mit der Idee, dass muslimische Pilger auf dem Weg von Afrika nach Mekka, also auf einer der heiligen Handlungen, die ein Moslem laut dem Koran in seinem Leben mindestens einmal machen sollte, verschwinden und als Sklaven verkauft werden, hat der Zeichner eine Idee aufgegriffen, die er in einem Zeitungsartikel gelesen hatte. Dort wurde von einer ebensolchen Praxis berichtet, mit der arabische Kunden mit Sklaven versorgt wurden. Der Codesatz “Kohle an Bord”, der der Geschichte auch den Namen gab, ist jedoch eine Erfindung von Hergé – aber eine sehr treffende, die die Menschenverachtung der Leute zum Ausdruck bringt, die andere Menschen als Ware ansehen. Im Originaltitel kommt das sogar noch besser zum Tragen: "Coke en Stock" heißt wörtlich übersetzt "Kohle auf Lager".

Neben der düsteren Grundstimmung gibt es aber natürlich auch wieder lustige Momente, für die meistens Haddock zuständig ist, so zum Beispiel, als er so müde ist, dass er während des Gesprächs mit Oliveira de Figueira einschläft oder als er sich Bianca Castafiore, die wie immer seinen Namen verdreht, als “Harrock’n Roll” vorstellt.

Das Ende der Geschichte mit dem Schicksal von Rastapopoulos geht schon ein wenig in Richtung der James-Bond-Filme. Allerdings muss man bedenken, dass “Kohle an Bord” 1958 beendet wurde, die Welt aber noch vier Jahre auf den ersten Bond-Kinofilm warten musste. Das Album ist erneut eine spannende Geschichte. Dass der Hintergrund um Waffenschmuggel und Staatsstreich, der in die Handlung um den Sklavenhandel auch noch einspielt, manchmal etwas verwirrend ist, tut dem Gesamten keinen Abbruch. Schließlich ist auch im realen Leben die Politik nicht einfach.

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