Samstag, 22. Oktober 2011

Tim und Struppi: Tim und das Geheimnis um das Goldene Vlies [Rezension]



Noch bevor Tim und Struppi das erste Mal in ihrem eigentlichen Medium - den gezeichneten Bildern - verfilmt wurden, gab es verschiedene Anläufe in 1930er Jahren, die zum größten Teil verschollen sind. Auf die große Leinwand jedoch kam als erstes ein Film mit realen Schauspielern. 1961 wurde ein Abenteuer, von dem es kein Comic-Album gab, verfilmt. In den Hauptrollen sehen wir Jean-Pierre Talbot als Tim und Georges Wilson als Kapitän Haddock. Der Titel der Geschichte: "Tim und das Geheimis um das Goldene Vlies".

Inhalt: Kapitän Haddock bekommt eine Nachricht, dass Themistokles Paparanic, ein Schiffskapitän, verstorben ist und ihm sein Schiff, die "Goldenes Vlies", vermacht hat. Tim und Haddock reisen nach Istanbul, stellen jedoch fest, dass das Schiff kaum mehr als ein Seelenverkäufer ist. Ein Geschäftsmann mit Namen Anton Karabine macht Haddock ein Angebot, die "Goldenes Vlies" zu kaufen, und zwar zu einem Mehrfachen des Preises, den sie noch wert ist. Das macht Tim misstrauisch und er rät Haddock, nicht darauf einzugehen. Daraufhin passieren einige merkwürdige Dinge, Tim und Haddock werden fast von einem Fass überrollt und während einer Führung in einer Festung lauert ihnen eine Schlägerbande auf. Sie durchsuchen die Sachen von Kapitän Paparanic und finden heraus, dass jener in dem südamerikanischen Land Tétaragua die Gunst der Stunde genutzt hat, um einen Staatsstreich anzuzetteln. Als er mit ein paar Kumpels die Regierungsgewalt inne hatte, brachte er Tétaraguas Staatsschatz auf die Seite. Nach seinem Tod suchen seine ehemaligen Verbündeten nach Hinwesein auf das Versteck...

Kritik: Zuerst einmal zum Titel, den kann man nämlich nicht korrekt ins Deutsche übersetzen. Der Film heißt "Tim et le mystère de la Toison d'Or". Würde man den Satz einfach übersetzen, müsste er heißen "Tim und das Geheimnis des goldenen Vlieses". Da die "Toison d'Or" aber ein Schiff ist, müsste man den Titel so wiedergeben: "Tim und das Geheimnis der 'Goldenes Vlies'". Das klingt zu holprig, deswegen nahm man die Variante "Tim und das Geheimnis um das Goldene Vlies". Warum ich das schreibe? Als ich das erste mal von dem Film hörte, dachte ich, dass der Film so eine Art "Tim als Indiana Jones"-Geschichte ist und er das legendäre "Goldene Vlies" aus der griechischen Mythologie sucht.

Das Drehbuch stammt nicht von Hergé, obwohl dieser stets betonte, dass er daran mitgearbeitet habe, damit der Film den Geist der Tim-und-Struppi-Abenteuer habe. Und in der Tat, André Barret und Remo Forlani ist ein Werk gelungen, das sich nicht hinter den Comic-Alben zu verstecken braucht. Wie in den Alben wird auch hier der Lokalkolorit der Umgebung, in dem Fall von Istanbul und Griechenland eingefangen (obwohl man den Eindruck gewinnen könnte, Athen bestehe nur aus ein paar Gassen rund um die Akropolis - aber was soll's, man kann ja auch von jedem Fenster in jedem Haus in Paris den Eifelturm sehen). Die Schauspieler sind hervorragend gewählt, Jean-Pierre Talbots Darstellung von Tim ist genial und er sieht seinem Comicvorbild sehr ähnlich. Bei den anderen Darstellern musste man etwas mit der Maske nachhelfen, etwa bei Haddock (was bei seinem Bart auffällt, der nicht so ganz echt aussieht) oder Bienlein. Aber so, wie sie geschrieben sind, wirken die Figuren, als wären sie gerade aus dem Comic gesprungen.

Die Handlung, da hat Hergé recht, entspricht ganz dem Geist der Tim-Geschichten, wie wir sie kennen - sogar die Auflösung. Allerdings kommt einem da manches auch zu bekannt vor, die Ereignisse um den Staatsschatz von Tétaragua erinnern an den "Schatz Rackhams des Roten" oder der Auftritt der "getarnten" Schul(t)zes, die die Tracht der griechischen Evzones tragen, stammt direkt aus "Reiseziel Mond". Schade ist auch, dass mit Tétaragua ein weiteres fiktives südamerikanisches Land eingeführt wird, das man gar nicht aus den Alben kennt. Für mich als Fan hätte der Film besser in das "Tim-und-Struppi-Universum" gepasst, wenn Paparanic beispielsweise in San Theodorus geputscht hätte, dann hätte man Tims alten Bekannten, den General Alcazar, zumindest erwähnen können.
In der deutschen Übersetzung hat sich ein Schnitzer eingeschlichen: Bienlein erfindet ein Mittel, das die Ergiebigkeit von Treibstoff vervielfacht (was sehr stark an die Tabletten erinnert, die Müller in "Im Reiche des schwarzen Goldes" verwendet, um das Benzin eines bestimmten Konzerns unbrauchbar zu machen; im Film sagt Bienlein sogar, es könne sein, dass der Motor wegen seines Mittels explodiert). Dieses Mittel nennt Bienlein "Tryphonium", und zwar auch in der deutschen Variante. Offenbar ist den Übersetzern nicht aufgefallen, dass Bienlein hier etwas macht, was er gern mit seinen Erfindungen tut: Er benennt sie nach sich selbst - "Tryphon" ist Bienleins Vorname im französischen Original. Entsprechend müsste das Mittel in der deutschen Version eigentlich "Balduinium" heißen.
Gut getroffen ist hingegen Haddocks Temperament und seine Kreativität beim Erfinden von Schimpfwörtern. Auch bei der Ausstattung wurde peinlichst darauf geachtet, dass alles so aussieht wie in den Comics. Haddock trägt seine schwarze Jacke und den blauen Pullover mit dem Schiffsanker, Tim seine Knickerbocker, Bienlein seinen grünen Mantel und den zerknautschten Hut und Schulze und Schultze ihre schwarzen Anzüge und die Melonen.

"Tim und das Geheimnis um das Goldene Vlies" ist für Tim-Fans sicherlich sehenswert, auch wenn der Film natürlich ob seines Alters schon etwas Patina angesetzt hat. Es macht einen ein wenig wehmütig, denn das war eine der letzten Gelegenheiten, eine Tim-Geschichte zu sehen, an der Hergé selbst noch mitgewirkt hat.

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